"Aus der Capital Federal"

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Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil, könnte man sagen. Aber wir wollen hier nicht zu Beginn bereits hochnäsig erscheinen und nehmen es wie ein Geschenk. Unsere Verhandlungen mit dem hiesigen Parkplatzbeauftragten können wir jedoch durchaus als erfolgreich bezeichnen. Bislang mussten wir tageweise 40 Pesos berappen. Die von uns vorgeschlagenen 25 Pesos pro Tag bis Ende Juli zu zahlen, lehnt der Parkplatzmann vehement ab. Das sei viel zu wenig und auch unangemessen für einen solchen Stellplatz, gemessen an der Größe unseres Autos und verglichen mit den anderen in Puerto Madero befindlichen Parkplätzen. Zwar wissen wir nicht, ob wir tatsächlich die sicherlich rekordverdächtige Verweildauer von 37 Tagen hier stehen werden, jedoch ist uns klar, dass wir keinesfalls täglich zur Kasse gebeten werden möchten. So schlagen wir ihm die Zahlung von sechshundert Pesos vor und siehe da, der Beauftragte zeigt sich einverstanden. Handschlag und beide Seiten haben nun ein gutes Gefühl und freuen sich über den erfolgreichen Deal. Bleibt nur zu hoffen, dass unser Parkplatzbeauftragter nicht nachrechnet!

Buenos Aires können wir uns nun in aller Ausführlichkeit zu Gemüte führen - und naja, um eines direkt vorweg zu nehmen, die Füße tun regelmäßig weh, da helfen auch keine sportlicheren Schuhe. Zu weit sind hier einfach die Entfernungen und zu groß die Lust, alles abzuflanieren. Klar, gibt es auch so etwas wie eine U-Bahn, aber da sieht man ja bekanntlich nichts. So wandern wir fast täglich ein stattliches Pensum, sehen uns die zahlreichen Sehenswürdigkeiten an. Einen ganzen Tag treiben wir uns nur im direkten Zentrum herum. Es gibt herrliche alte Gebäude, verschiedenste Theater und monströse Shoppingcenter. Nun sind wir nicht zum Shoppen in Buenos Aires, angesichts unserer sich dem Ende hin neigenden Reise und der ihr zugeordneten Kasse. Windowshopping kann allerdings nie schaden. Den kulturellen Höhepunkt der Stadt, das altehrwürdige Teatro Colón, in dem bereits solch Größen wie Caruso und Pavarotti ihre Stimmbänder bemüht haben, können wir leider nicht besichtigen. Es wäre einem Traum gleichgekommen, hier ein Konzert zu besuchen, jedoch werden die heiligen Hallen von Grund auf saniert und alles ist geschlossen. Hier singt momentan niemand, sondern Maler restaurieren die Deckenfresken und Stuckateure sanieren die Fassade. Wenn wir uns diesen Dinosaurier der Stadt nicht anschauen können, ist es an der Zeit, dem Café Tortoni, einem anderen Dino, unseren Besuch abzustatten.

Immer wieder denken wir auch an unsere irgendwann bevorstehende Schiffsreise über den Ozean und gute dreißig Tage mit reduziertem Tagesprogramm. So versuchen wir, irgendwo in Buenos Aires eine Buchhandlung zu finden, die deutschsprachige Bücher im Angebot hat. Bislang ist diese Suche nicht von Erfolg gekrönt, doch geben wir nicht auf. Auch werden seit ungefähr einem Jahr keine deutschen Zeitschriften mehr importiert bzw. sind seither von der Bildfläche verschwunden. Das hiesige Goetheinstitut verleiht lediglich Bücher.

Gerade als wir morgens im Mobil bei ausgiebigem Kaffee unsere Pläne schmieden, einen weiteren Stadtteil unter die Füße zu nehmen, hupt es überraschenderweise neben dem Mobil und siehe da, die bereits verabschiedeten Iren stehen wieder vor der Türe. Sie hatten Glück und auf Grund ihrer guten Beziehungen in Buenos Aires haben sie tatsächlich noch Karten für ein Boca-Spiel ergattern können. Hierzu sei gesagt, dass es Nicht-Club-Mitgliedern gar nicht möglich ist, an Karten für ein Spiel zu kommen. Sheila und Jimmy haben einen irischen Landsmann getroffen, der ihnen seine Saisonkarten zur Verfügung gestellt hat. So macht jeder tagsüber sein Programm, wir laufen doch noch, erkunden den benachbarten und hafennahen Stadtteil Retiro sowie den elegantesten und teuersten Teil Recoleta und versäumen es auch nicht, auf dem berühmten Friedhof, einer rechten Totenstadt mit haushohen Mausoleen, die Grabstätte Eva Perons zu besuchen. Eindrucksvoll, welche Anziehungskraft auf die Menschen aus dem In- und Ausland diese schillernde wie umstrittene Person auch noch nach ihrem Tode ausübt.

Wir glauben es kaum, als wir eine  wohl vertraute grüne Reklame am Laternenpfahl sehen. Irgendwo in Chile gab es für uns letztmalig die Möglichkeit, angesichts einer leckeren Tasse Kaffee schwach zu werden. Eine willkommene Unterbrechung unserer Wanderung und frisch gestärkt kann es dann auch bald weitergehen.


Leute kommen und gehen auf unserem großen Parkplatz direkt am Hafen und so treffen wir mit Roswita und Holger alte Bekannte im Wohnmobil, denen wir bereits vor Monaten schon einmal über den Weg gefahren sind und lernen immer wieder neue Menschen kennen. Gleich nebenan steht „Schnecke“ (ihr Reisemobil) mit ihren Hamburger Insassen, Inga und Maja. Während Inga bereits mit dem Flieger, der "nicht so prickelnden" Schiffsreise entfliehend, nach Deutschland vorfliegt, verbringen wir mit Maja abends bei leckerem Rotwein im Tesomobil einen schönen Abend mit stundenlangen Gesprächen. Später gesellen sich noch Sheila und Jimmy dazu und wir feiern eben ein zweites Mal Abschied. Irgendwann um zwei Uhr morgens - so hören wir am nächsten Tag - konnten unsere Nachbarn nicht mehr einschlafen. Waren wir wirklich so laut?  Dem Kater nach zu urteilen, ist es tatsächlich spät geworden und Jimmy braucht heute auch etwas mehr Zeit, bis er,gemeinsam mit Sheila und dem Zottelmonster Francie die Weiterreise antritt.


Palermo heißt der nächste Stadtteil, rund um die Plaza Italia. Entlang der Avenida Santa Fee schlendern wir so durch die Stadt, wieder einmal auf der Suche nach deutschen Büchern, als wir sicherlich eine der am interessantesten gestalteten Buchhandlungen, die wir bislang gesehen haben, vorfinden. Es ist wie zufällig auch eine der ältesten und ein Muss für Buenos-Aires-Besucher. El Ateneo hat sich in einem alten Opernhaus niedergelassen und es ist geradezu ein Augenschmaus und eine tolle Atmosphäre wie eine gelungene Kombination, Bücher in einem solchem Ambiente zu verkaufen. Nicht wissend, wie es um das alte Metropolkino in Bonn steht und ob es mittlerweile komplett zum Ramschladen umfunktioniert wurde, werden wir mal einen Vorschlag einreichen. (Zugegeben nicht ganz vergleichbar mit dem in Buenos Aires, aber zumindest auch ein altes Theater!)

Durch den botanischen Garten hindurch wandern wir noch etwas weiter und stoßen auf einen der für die Stadt bekannten Hundeausführer, der gleich mit einem ganzen Rudel die Gegend um das Monumento de los Españoles unsicher macht. Bestimmt waren es auch an diesem Tag wieder gute 10 Kilometer Fußmarsch. Auf dem Rückweg schauen wir noch im Museum Eva Peron vorbei und informieren uns über das Walten der für die Argentinier Fastheiligen.

Zum Fußball nach La Boca hat es für uns ja leider nicht geklappt in Ermangelung guter Beziehungen. Zudem stecken die Boca Juniors auch diese Saison in der Krise und die Saison ist fast vorüber. Bereits die von uns besuchte Partie gegen Racing war zumindest spielerisch nicht weltbewegend und so sind wir gar nicht traurig über das verpasste Spiel. Aber den Sonnenschein nutzend, gehen wir zumindest hinüber in den gleichnamigen Stadtteil, um einige farbenfrohe Eindrücke zu sammeln. Putzig und süß stehen sie da, die bunten Wellblechhäuschen, die aus abgewrackten Schiffen gebaut und später lackiert worden sind. Doch eigentlich sind es gerade einmal hundert Meter, die von den Touristen heimgesucht werden. Und ein jeder kann sich vorstellen, wie es dann angesichts eines wahren Besucheransturmes dort aussieht. Zwischen Maradona-Doublen und Tangopaaren aus Pappmaschee mit Guckloch, durch das man zwecks Erinnerungsfoto seinen Kopf hindurch stecken kann, fällt es fast schwer, die eigentlichen Sehenswürdigkeiten, nämlich den so genannten Caminito zu sehen. Mit ein wenig Verrenkungen können wir aber auch ein Foto machen.

Da ist doch was, das ist doch jemand? Lella vermutet bei unserer Rückkehr zum Auto schon ihren Bruder Enzo neben dem Tesomobil, der unter dem Fenster miaut. Wir haben kaum ausgesprochen, dass dies nicht sein könne, als ein kleines graues Kätzchen aus dem vorderen Radhaus des Autos herausgekrabbelt kommt und lautstark seinen - wie wir meinen - Hunger kundtut. Schon zwei Tage vorher haben wir Katzenklänge gehört, aber nicht weiter nachgedacht. So kommen wir mitten in Buenos Aires noch zu einem Untermieter. Ein Döschen Thunfisch und ein Schälchen Wasser mit einem Schluck Milch findet sich immer im Mobil und es dauert auch nicht lange, bis alles weggeputzt ist von unserem blinden Passagier. Die Kleine hat sich an dem kalten Abend auf unser Getriebe zum Nachtlager zurückgezogen und die Abwärme unseres Expeditionsfahrzeugs genossen.

Die Scheiben in unserem Reisemobil sind beschlagen und die Luftfeuchtigkeit ist spürbar hoch am nächsten Morgen. Die Heizung ist irgendwann mitten in der Nacht einfach ausgegangen und ein rotes Lämpchen bedeutet den Störungszustand der Heizung. Für uns ein sicheres Zeichen, dass uns das Gas ausgegangen ist. Also widmen wir uns der Frage, wie wir hier mitten in der Stadt an neues kommen. In der Capital Federal ein fast aussichtsloses Unterfangen. Gasflaschen sind rar, da es Stadtgas gibt und wenn, ist es schlichtweg verboten, innerhalb der Stadt Flaschen zu füllen. Also müssen wir in die Provinz hinausfahren. So kombinieren wir unsere Suche gleich mit einem bereits früher ins Auge gefassten Ausflug ins benachbarte La Plata.

Die gut sechzig Kilometer sind flott zurückgelegt und die Suche nach einer Füllstation kann erneut losgehen. Letztendlich gelingt es uns auch hier nicht, eine solche Füllstation ausfindig zu machen. Alle Gashändler sind lediglich Distributoren angelieferter Flaschen und unsere deutsche, mit einem anderen als landesüblichen Anschluss versehene Gasflasche möchte hier niemand füllen. Schließlich finden wir in einem Privathaus einen Mann im fast biblischen Alter, der sich unseres Problems annimmt. Sein ganzes Gewerbe, auch nach argentinischen Maßstäben illegal, ist improvisationsgeübt und so füllt er uns, mehr oder weniger in seinem Wohnzimmer unsere Gasflasche. Natürlich bleibt immer Zeit für einen kleinen Plausch im Türrahmen und wir können wie so häufig die Frage beantworten, wie die Deutschen mit der Niederlage des zweiten Weltkriegs zurechtkommen.

Mit prallgefüllter Gasflasche stellen wir recht schnell fest, dass unser Ausflugsziel, die Provinzhauptstadt La Plata, obgleich in unserem Reiseführer deutlich hervorgehoben, nicht wirklich einladend ist und so begeben wir uns wieder auf die Rückfahrt nach Buenos Aires.

In sicherer Erwartung, bei unserer Rückkehr an den Parkplatz unseren Untermieter wieder zu treffen, haben wir vor unserem Ausflug nach La Plata extra einen kleinen Vorrat an Katzenfutter gekauft - immer nur Thunfisch ist ja auch für eine Katze langweilig! -, um etwas in petto zu haben für unseren kleinen und scheinbar halbverhungerten Gast. Doch leider haben wir uns seither nicht mehr getroffen. Entweder haben ihn die Straßenköter verjagt oder er hat sich bereits eine andere Herberge gesucht.

Ach ja, wie sich herausstellte, war unsere Gasflasche nicht etwa wirklich leer. Lediglich die Heizung hat einmal gesponnen und so haben wir neben einem Sack Katzenfutter auch zwei Gasflaschen und somit sind wir für alle Fälle gerüstet!

Mit großem Zapfenstreich begrüßt werden. Ja, das ist toll, wenn auch etwas verwunderlich, dass sich die Stadt bzw. der Hafen zwei Wochen Zeit lässt uns zu begrüßen. Bei näherem Hinsehen merken wir aber, dass der große Marinemusikcorps nicht zu unseren Ehren vor unserem Mobilheim Aufstellung genommen hat: Eine gut einhundertfünfzig Meter lange Fregatte aus Brasilien nähert sich von achtern dem Parkplatz. Wir bekommen Nachbarn anderer Art. Dem brasilianischen Schulschiff gilt also das ganze Tamtam. Schade eigentlich, wenngleich ein schönes Schauspiel gleich vor unserem Fenster. So gibt es immer was zu gucken und wir werden noch nicht einmal weggeschickt. In Deutschland undenkbar, wohnen wir nicht nur dem ganzen Begrüßungsspektakel samt Minister und anderer navaler Würdenträger hautnah bei, sondern wird das Heck unseres Mobils seither auch von der brasilianischen Kriegsmarine mit großen Geschützen bewacht. Vor dem Auto stehen weiterhin rund um die Uhr die sehr netten Polizisten der Hafenpräfektur. So fühlen wir uns auch weiterhin gut aufgehoben und haben ein gutes Gefühl, das Mobil während unserer Erkundungen oder Internetsitzungen alleine zu lassen.

An Sonntagen kann es, so wie heute, sogar sein, dass der freundliche Polizist ein frisch gegrilltes Stück Fleisch im Brötchen zu uns ans Auto bringt. Er wird auch weiterhin ein Fläschen Bier von uns bekommen, denn so steht es sich nicht nur, sondern arbeitet es sich auch netter! Und zu allem Überfluss spielt noch die Musik aus einem der geparkten Polizeiwagen. Passenderweise brasilianische Rhythmen, die wir so gar nicht in unserem Repertoire haben.

In unserem heutigen Internetcafé, ein hippes Örtchen im Erdgeschoss einer architektonisch ansprechenden Kunstgalerie gegenüber dem Yachthafen, gibt es heute Abend leider kein Glas Rotwein, weshalb sich diese Zeilen vielleicht etwas trocken lesen. Es finden hier derzeit Parlamentswahlen statt und interessanterweise untersagt das Gesetz, dass sowohl am Tag vor den Wahlen als auch am Wahltag selbst bis 21 Uhr kein Alkohol verkauft bzw. in der argentinischen Gastronomie ausgeschenkt werden darf. Das ist wohl auch der Grund dafür, warum die meisten Straßen und Lokale verwaist erscheinen.

Heute, einen Tag nach der Wahl, flimmern allerorten die linksgerichtete Präsidentin Cristina Kirchner und ihr Mann, der ehemalige Präsident Néctor Kirchner, über die Leinwände, für die das Ergebnis der Wahl eine herbe Niederlage darstellt. So ist auch nicht verwunderlich, dass beide ziemlich unter die Räder gekommen aussehen, haben sie doch die Mehrheit in beiden Häusern und offensichtlich viel ihrer Beliebtheit unter dem Volk eingebüßt, nachdem sie in der Vergangenheit die Zahlen zu Inflation und Armut gefälscht haben.

Bei uns ist alles echt. Wir werden weiterhin die Augen aufhalten, sind gespannt auf die Nachbarn, die noch so kommen werden und werden morgen erstmalig das Tanzbein zu den melancholischen Klängen des Bandoneons schwingen. Bis dahin senden viele Grüße ins mittlerweile bestimmt wärmere Deutschland aus dem mit 11°C leicht bewölkten Buenos Aires.

Lella & Tommi

Entsprechende Bildergalerie der ehemaligen web page ansehen:

www.tesomobil.de/index.php

 

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