"Bye-bye Bolivia"

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Von unserem gut behüteten Platz, gemeinsam mit unseren deutschen und irischen Reisefreunden, machen wir uns auf unseren weiteren Weg in Richtung Süden. Vorerst gilt es, wieder hinauf auf den Höhenrücken der Stadt zu fahren. Hier unten im Tal ist es doch um einiges niedriger und auch wärmer als in den höheren Lagen der Stadt.


Da wir nicht wieder mitten durch den Verkehr hindurchfahren wollen, entscheiden wir uns, einem Tipp unseres letzten Taxifahrers zu folgen und direkt durch das nebenan gelegene Valle de la Luna zu fahren und uns einen anderen, weit weniger befahrenen Weg zu wählen.
Nach nur wenigen Metern die Erkenntnis, warum die Straße, die wir wählen, weniger befahren ist: Weil es hier keine Straße gibt. Nungut, zumindest gibt es eine Erdpiste, die aber die Bezeichnung Straße nicht verdient. Die Umkehr lohnt sich nicht und so winden wir uns auf abenteuerlichen Routen hinauf auf den Höhenrücken.

Alsdann setzen wir die Fahrt immer zwischen 3.500 und 4.000 Metern auf recht guten Straßen fort und erreichen auch bald Oruro, unser erstes Etappenziel und Schauplatz eines der spektakulärsten Karnevalsfeste Südamerikas. Von hier aus fahren wir noch etwas weiter gen Süden, bis wir bei Challapata nach Potosi abbiegen. Die Gegend um uns herum ist fantastisch und so entschließen wir uns, in einem weiten Tal von der Straße abzufahren und uns auf eine riesige Lamawiese zu stellen. Es ist bereits Abend und die Hirten treiben ihre geräuschlosen Tiere zurück in die Pferche. Die Nacht verbringen wir in völliger Stille inmitten dieser grandiosen Natur. Früh morgens tippeln wieder die Lamas an unserem Mobil vorbei, werden auf die Weide geführt und sich dem Tag über überlassen.

Für uns geht es weiter nach Potosi. Es soll die hübscheste Stadt Boliviens sein und wir planen, das dortige Münzmuseum anzuschauen. Doch bereits bei der ersten Besichtigungsfahrt stellen wir fest, dass sich unsere Begeisterung in Grenzen hält. Auf der Suche nach einem geeigneten Stellplatz für die Nacht und ebenso sicheren Platz für das Belassen des Autos für die Dauer unserer Besichtigungen klappern wir die verschiedenen Hostals mit Parkplätzen ab. Leider scheitern wir bei allen Häusern an den Höhenbegrenzern von deren Parkplätzen und landen sogar auf dem kleinen Hausberg mit dem Mirador, einem kleinen Betonturm, von wo man eine gute Aussicht auf die Stadt hat. Gerade als wir uns die Spitzkehren der Erdpiste den mehr oder weniger befestigten Berg hinaufgekämpft haben und neben dem Turm parken, bricht ein ausgewachsenes Hagelgewiter über uns herein. Hier oben fällt der Entschluss: Die Stadt will uns nicht! Wir verlassen sich am gleichen Tag. Die Tatsache, dass das von uns zu besichtigende Museum am heutigen Wochentage geschlossen ist, lässt uns die Entscheidung leichter treffen.

Von Potosi nach Uyuni, unserem nächsten Ziel, soll es lediglich auf Piste weitergehen. Das wussten wir bereits und so machen wir uns mit dem Gedanken vertraut, womöglich irgendwo im „Nichts“ unseren nächsten Stellplatz zu finden. So geht es über Stock und über Stein, teils über irgendetwas, was aussieht wie eine begonnene Straßenbaustelle, manchmal aber auch einfach so durchs Gelände, immer wieder auch mal im Rückwärtsgang durch die Landschaft. Zwar sind nicht mehr so viele Flußläufe zu kreuzen wie noch vor einigen Jahren, doch der ein oder andere legt sich uns doch in den Weg. Es werden am heutigen Tag unter den geänderten Straßenbedingungen nur noch um die 70 Kilometer, bis wir uns auf einer Seitenpiste möglichst gerade hinstellen und den Abend einläuten. Mit Blick auf 6.000 Meter hohe und schneebedeckte Berge am Horizont, nicht wissend, wo genau wir eigentlich gelandet sind, noch ob unser eingeschlagener Weg überhaupt noch der richtige ist, lassen wir die Sonne erst einmal versinken, ehe auch wir in den Schlaf sinken.

Wie wir uns und das Mobil nach einer erholsamen und ruhigen Nacht für die Weiterfahrt fertig machen, knattern an uns zwei deutsche Motoradreisende vorbei, schauen und kehren um zu unserem Mobil. Ines und Björn aus Darmstadt, unterwegs auf ihren 650er Suzukis, sind auch auf der Suche nach Uyuni. Im Gegensatz zu uns fahren sie mit GPS und sind sich ihres Weges sicher. So wissen auch wir schnell, dass wir uns noch nicht verfahren haben. Wir schwatzen ein wenig am Wegesrand, bevor wir uns alle mit Ziel Uyuni wieder auf die rüttelige Pistenfahrt begeben. Noch gar nicht wieder an Fahrt gewonnen, kommen uns nur wenige Kilometer später weitere Reisende entgegen. Ein französisches Reisemobil mit kleinen Reifchen kommt über diese Piste gefahren! Auch mit Gaëlle und Fabrice, die - wie viele Franzosen - gemeinsam mit ihren Kindern durch die Welt reisen, verbringen wir einige Zeit und unterhalten uns über Erlebtes. Sie informieren uns über die Tücken, die wir auf unserer weiteren Fahr zu erwarten haben, doch sollten wir mit unserem Mobil mal überhaupt keine Schwierigkeiten haben. Hohe Erwartungen denken wir uns; denn manchmal macht uns schlicht die Größe des Tesomobils etwas zu schaffen. Doch die Franzosen sollen Recht behalten und wir erreichen am Nachmittag Uyuni ohne größere Schäden (vorerst!).

Es ist einmal wieder Zeit zu tanken und so müssen wir uns – nachdem wir bis hierher noch mit unseren ecuadorianischen Dieselreserven gefahren sind – einem hiesigen Problem stellen. Genau Bescheid weiß niemand, das ist klar! Es gibt seit neuestem in Bolivien angeblich ein Gesetz, das es Ausländern zwar erlaubt zu tanken, jedoch einen Extradollar pro getanktem Liter Kraftstoff abverlangt. Einige behaupten, dass dieses Gesetz lediglich in einem begrenzten Raum, nämlich 50km um die bolivianische Grenze gilt, um somit den Tanktourismus aus den Anrainerstaaten zu unterbinden. Andere wiederum, meist die Tankwarte, behaupten, dass die Regelung für ganz Bolivien gelte.

Wie auch immer. Uyuni besitzt an drei der vier Ausgangsstraßen jeweils eine Tankstelle (oder so etwas Ähnliches), die wir der Reihe nach abfahren. Nur eine Tankstelle sei autorisiert Kraftstoff an Touristen zu verkaufen. Die anderen zwei werden angeblich mit hohen Strafen belegt (120 Tage Zwangsschließung der Tankstelle), wenn sie an Ausländer verkaufen. Die einzig autorisierte Tankstelle wollen wir wegen der dortigen Preispolitik (dreifacher Preis für uns des an der Zapfsäule gezeigten Preises) jedoch meiden. Wir erblicken in einer Seitenstraße unweit der Tankstelle die von den Salartouren zurückgekehrten Jeeps vor einer Autowaschstation. Nach einem kurzen Plausch mit den Fahrern der Autos, auch über unseren nächsten Routenverlauf und ob der Salar so kurz nach der Regenzeit überhaupt befahrbar ist, bietet uns ein junger Fahrer an, für uns zum Einheimischenpreis Diesel einkaufen zu gehen. Wir geben ihm 500 Bolivianos in die Hand und hoffen, dass er wie verabredet mit zwei Fässern Diesel wiederkommt.


Gerade als wir beide uns ausmalen, wie der junge Kerl mit unseren ungerechnet 70$ vor einer schmackhaften Pizza in einem Restaurant sitzt und mit dem restlichen unseres Geldes seine dazustoßenden Freunde auf einen Drink einläd, biegt er auch schon in die Nebenstraße ein. Auf dem Dach zwei 60-Liter-Fässer mit dem von uns so begehrten Stoff. Wir parken um und füllen, die Fahrzeuge eng an eine Mauer geparkt, in einer Nacht- und Nebelaktion den Diesel mit einem Schlauch in unseren Tank um. Das Restgeld überlassen wir dem freundlichen Helfer; es reicht tatsächlich noch für eine große Pizza samt Getränken!

Dank dieser Hilfsbereitschaft gepaart mit einem gesunden Maß an krimineller Energie haben wir genug Diesel zu einem akzeptablen Preis an Bord, um Bolivien mit seiner sehr ausländerfeindlichen Kraftstoffpreispolitik zu verlassen. Doch vorher wollen wir hinaus zum Salar, der größten Salzpfanne der Welt. Nach einer 20km langen und nicht minder schüttelnden Fahrt über eine Wellblechpiste erreichen wir – es ist bereits spät – eine Tankstelle in einem kleinen Nest namens Colchani am Eingang des Salar de Uyuni und fallen todmüde von der Aufregung des Tages in unser Bett.

Nur wenige Kilometer und wir stehen vor einem riesigen Salzmeer. Schade, es ist noch viel Wasser im Salar. Zwar haben uns die Tourenfahrer gesagt, dass man hindurchfahren kann, doch erscheint uns dies angesichts der noch gut 30 Zentimeter Wasser in der Ebene und des aufgeweichten Salzes als sehr ambitioniert. Auch die Aussichten auf eventuell entstehende Folgeschäden am Auto lassen uns lediglich ein kleines Stückchen hineinfahren und lieber zu Fuß in Gummistiefeln einige Eindrücke sammeln. Schließlich wollen wir mit dem Tesomobil noch ein paartausend Kilometer möglichst pannenfrei zurücklegen.


Trotzdem ist es für uns ein eindrückliches Erlebnis, hier in luftiger Höhe am Rande dieses riesigen Salzfeldes zu stehen. Wir kratzen noch ein Tütchen Salz zusammen, bevor wir uns wieder auf den Weg zurück nach Uyuni machen. Uyuni selbst ist ein ziemlich verkommener Ort, dessen fast 12.000 Bewohner – Wo sind die nur alle? – ausschließlich vom Salz bzw. vom Tourismus um das Salz leben. Ansonsten gibt es einige Hostals, die sich um die meist Backpacker kümmern und ein paar Lokale, deren Spezialitäten hier nicht weiter erwähnenswert sind!

Informiert über die derzeitigen Straßenverhältnisse, machen wir uns auf den Weg nach Süden. Die Straßen des direkten Weges nach Chile über den Grenzort Ollagüe sind zwar in allen Karten angegeben, doch geradezu historisch und werden nicht mehr unterhalten, so die Angaben der Tourenfahrer. Also geht es für uns weiter nach San Christobal. Hier beginnt die Suche nach der Straße, es handelt sich vielmehr um in die Erde geritzte Sandfurchen. Auf wechselnden Untergründen geht es auf die bislang abenteuerlichste und auch verlustreichste Fahrt unserer gesamten Reise.

Die angenehmsten Abschnitte gehen mitten durch den feinsandigen Untergrund. Bergauf nur im Vollgas zu befahren, um nicht stecken zu bleiben, bleibt insgesamt kaum Gelegenheit, in diesem fast menschenleeren Teil Boliviens die Natur zu betrachten. Umso besser wirkt sich diese Menschenleere für uns bei der Stellplatzsuche aus. Wir bleiben schlichtweg irgendwo inmitten des Nirgendwo stehen, schalten den Motor ab und steigen nach hinten. Nicht ein einziges Auto verliert sich in der Nacht in diese Gegend. Nur die in der neben dem Tesomobil schimmernden Lagune stehenden Flamingos sind unsere Nachbarn für diese Nacht.

Nach einer mucksmäuschenstillen Nacht auf ca. 4.000 Metern Höhe quälen wir das Auto an, lassen es etwas warmlaufen und machen uns wieder auf unseren ermüdenden Weg. Lediglich für eine kleine Pause am Straßenrand halten wir an. Lellas Worte: „Wir haben ein Problem!“, läuten mit dem Aufkehren der Glasscherben und dem provisorischen Ordnungschaffen im Mobil etwas Arbeit ein. Leider hat sich auf irgendeiner der letzten Wellblechpisten unsere gläserne Duschabtrennung in tausende Einzelteile verabschiedet und liegt nun querbeet im Mobil verstreut. Bei der Prüfung unseres Autos von außen auf weitere Schäden stellen wir fest, dass es den Motoradträger in der Mitte durchgerissen hat. Kaum vorzustellen, was passiert wäre, wenn noch ein Motorad draufgestanden hätte. Das läge nun womöglich irgendwo im bolivianischen Hochlandstaub.

Auf der bislang ereignisreichsten Fahrt mitten durch die bolivianische Ereignislosigkeit poltern wir weiter auf der Suche nach der Laguna Colorada. Nach weitaus mehr als der veranschlagten Zeit erreichen wir sie denn auch. So etwas Schönes haben wir noch nicht gesehen! Die ganze Farbpalette spiegelt sich in dem nachmittäglichen Wasser der bunten Lagune, während Hunderte von Flamingos lautlos durch das Wasser stelzen. Ein kräftiger Orangeschimmer bestimmt das Bild.


Nach dem Genuss dieser Naturschönheit geht es auch wieder auf die Piste. Am südlichen Ausgang Boliviens, nur wenige Kilometer weiter, soll es noch die Laguna Verde geben, die sich in tiefen und kräftigen Grün zeigt. Unsere Nerven sind kurz vor dem Zerreißen, als wir vor dem letzten Abzweig zum Ziel stehen. Uns trennen nur noch 5 km, doch auf solch einer Rüttelpiste kommen sie uns wie eine Ewigkeit vor. Nach einigen Metern drehen wir laut fluchend kurzerhand wieder um. „Scheiß auf die Lagune“, befinden wir einig wie däftig und drehen um. Wir wollen das Auto am heutigen Tag nicht völlig zerstören. Wir haben genug!

Tolle Eindrücke von grandioser Natur, doch macht uns auch die Höhe wieder zu schaffen. Seit nunmehr genau vier Wochen sind unsere Körper auf über 3.000 Metern unterwegs und es schlaucht schon ordentlich. Endlich wieder einmal kräftig durchatmen und sich nicht immer wie nach einem Dauerlauf zu fühlen, ist unser klar formuliertes Ziel. So quälen wir uns und das Auto weiter ins chilenische San Pedro, das wir abends erreichen. Die für uns ungewohnt freundlichen Grenzbeamten arbeiten gewissenhaft und sehr zügig (selbst die von uns bereitgehaltenen Kopien all unserer Unterlagen werden hier nicht benötigt!) und wir stehen nur wenig später auf dem großen, öffentlichen Parkplatz des Wüstenortes. Am Feuer eines Restaurantes sitzend, beleben wir unsere gerüttelten Körper wieder mit einem saftigen Steak und genießen das Gefühl, endlich angekommen zu sein. 

Damit schicken wir erleichterte Grüße aus Chile und sagen bis bald!
Lella & Tommi

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