"Vancouver"

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Ob man seine Notdurft nun im Stehen oder im Sitzen verrichtet, bleibt jedem selbst überlassen. Wenn man aber beim Pinkeln durch das lediglich spaltweit geöffnete Badezimmerfenster von einer Dame angesprochen wird, ist dies schon unangenehm. Die Gute scheint nicht zu merken, dass hier gerade dringendere Dinge am Laufen sind. Nachdem ihre Tochter ihr etwas ins Ohr flüstert, wendet sie sich jedoch die Unterhaltung grußlos abbrechend ab, was Lella im Nebenraum – auch sie hat ein Fenster zur gleichen Seite geöffnet und hatte die Unterhaltung mitbekommen – laut auflachen lässt. Und die Moral von der Geschicht? Beim sitzend Pinkeln sieht man Dich zumindest nicht! Noch minutenlang kringeln wir uns im Tesomobil ob dieser etwas seltsamen Begegnung und haben großen Spaß.

Großen Spaß macht uns auch die Einfahrt in der Abendsonne ins beeindruckende Vancouver, dessen Skyline mit seinen funkelnden Glasfassaden uns empfängt. Es ist uns bereits eine Übung, immer kurz in die Innenstadt zu fahren, um mal einen kleinen Eindruck zu bekommen. Nach einer Orientierungsfahrt machen wir uns auf an die Spanish Banks Beaches, einem riesigen Strand nebst Parkanlage und großen Parkplätzen. Diese sind allesamt mit Übernacht-Parkverboten ausgeschildert. Wir beschließen, es einmal mehr darauf ankommen zu lassen, lauschen noch den sich hier versammelten Trommlern am Strand bei ihrer Session, bevor wir unser Lager aufschlagen. Die Kulisse, in der wir uns befinden, ist kaum zu glauben. Während im Norden des Tesomobils die schneebedeckten Berge den Horizont begrenzen, können wir im Osten die komplette English Bay und die Stadtsilhouette Vancouvers bewundern, während wir westlich fast bis in die Horseshoe Bay blicken können.

Es ist schon verwunderlich, welchem Herdentrieb einige Kanadier unterliegen, denken wir uns, als wir morgens um viertel vor fünf von einer dreinproletierenden Frau geweckt werden. Der Parkplatz, den wir entgegen des nächtlichen Parkverbotes zu unserem Nachlager ernannt haben, hat ungefähr zweihundert Parkplätze, die alle bis auf den unseren frei sind. Die junge Dame befindet jedoch genau den neben dem Tesomobil als den schönsten, lässt sich doch hier durch ihre Schratelei wenigstens zwei Schlafende wecken. Sie möchte sich, so bekommen wir schlaftrunken mit, lediglich hinter dem Tesomobil vor der Polizei beim Parken verstecken. Schließlich sieht auch sie das Parkverbotsschild. Die zweihundert Meter weit entfernte Polizeistreife, die ohnehin mehrmals an uns vorbei gefahren ist – steht wir doch mit dem Heck zur Straße – hat sich scheinbar überhaupt nicht um uns gekümmert und mitnichten um besagte Dame. Scheinbar an ihre zarte Stimme gewöhnt, verschlafen wir ihre Abfahrt und wachen in derselben friedlichen Umgebung morgens wieder auf, in der wir abends zu Bett gegangen sind.

Bis in die English Bay und somit bis hinein nach Vancouver kann man die zwölf Kilometer bei Ebbe durch die Bucht laufen. Einige Kilometer liefen wir denn auch, als das Wasser den Weg freigemacht hat und nachdem wir fast den ganzen Tag am Strand gefaulenzt haben.

Unser erster Eindruck, nachdem wir Vancouver zu den schönsten uns bekannten Städten zählen, bestätigt sich bei unserer Stadtwanderung. Wir sehen verschiedenste Stadtteile, Märkte, durch Wasser aufgelockerte Viertel und sogar dampfende Uhren.

Natürlich kehren wir nach unseren Exkursionen immer wieder an unseren so wunderbaren Stellplatz an den Spanish Banks zurück. Einige Bekanntschaften dürfen wir hier auch machen. Mal stehen urplötzlich taubstumme Kitesurfer im Tesomobil, mal wurden wir wieder durch die Fenster hindurch auf das Auto angesprochen und ein anderes Mal kommen wir mit einem campierenden Ehepaar ins Gespräch, das sich morgens den schönsten Stellplatz direkt an der Wiese sichert, das Reisemobil auspackt, Stühle und Tische rückt und alles für die Feier des achtundsechzigjährigen Geburtstagskindes vorbereitet. Witzig und clever zugleich finden wir es, seine Gäste an diesen schönen Ort einzuladen. Noch am Abend bei unserer Rückkehr an den Strand werden wir kurzerhand mit zu den Gästen gezählt, weil wir morgens geholfen haben, eine der Parkbankgarnituren näher an ihr Mobil zu rücken. Bei leckerem Kaffee und Kuchen, nicht bevor wir den selbst geräucherten Lachs des Schwagers des Gastgebers probiert haben, lernten wir Tony und seine Frau Kasia aus ursprünglich Polen kennen und kommen einmal mehr zu der Erkenntnis, dass Begegnungen am Wegesrand so zufällig wie auch überraschend schön sein können. Vielleicht sehen wir uns ja in Frankfurt wieder, Kasia, in dem großen Hotel direkt am Flughafen!

Insgesamt hat uns die Zeit in Vancouver sehr begeistert. Vier ganze Tage hat sich niemand dafür interessiert, dass wir uns des Nachts unerlaubt hier aufgehalten haben. Und sicherlich verlassen wir diesen schönen Ort in der Gewissheit, auch mal wieder unangenehmere Übernachtungsplätze in Kauf nehmen zu müssen.

Dennoch freuen wir uns auf unsere Weiterfahrt nach Vancouver Island. Mal sehen, was uns dort erwartet.

Bis dahin liebe Grüße
Lella und Thomas

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tesomobil.de/index.php

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